"Junger Mann, ich verspreche dir, dass ich nicht lüge, wenn dir sage, dass wir uns seit 3 Monaten kennen. Wir sind Freunde, Green.", versicherte mir der blonde Typ, welche geradezu aus dem Nichts vor mir aufgetaucht war.
"Und das soll ich dir glauben?", fragte ich, ohne die Klinge meines Messers zu senken, welches ich ihm an die Kehle drückte.
"Auch wenn du das nicht tust, wäre ich dir sehr dankbar, wenn du die Waffe wegpackst, ich will echt kein Blutbad.", hörte ich eine weibliche Stimme hinter mir. Eine blonde Frau, welche mich mit einer Pistole bedrohte.
Verdammt, wieso war sie mir nicht aufgefallen?
Zögernd senkte ich die Klinge.
"Und was wollt ihr von mir?", fragte ich, mir blieb wohl nichts anderes übrig, als ihr Spiel mitzuspielen, zumindest bis ich einen Ausweg fand.
"Wir wollten dich abholen, haben uns verabredet ins Telecafé zu gehen, weißt du nicht mehr?", fragte der Typ.
Ich stutzte, tatsächlich war ich auf dem Weg dorthin gewesen, um jemanden zu treffen, aber wen?
"Wenn ich euch angeblich kenne, wieso erinnere ich mich dann nicht an euch?"
Die Frau seufzte. "Das passiert uns ständig, wirklich. Die Leute vergessen einfach, dass wir da sind. Wir sehen wohl zu durchschnittlich aus, oder sowas, keine Ahnung. Fakt ist, Green, dich kennen wir seit drei Monaten. Du hast damals nen Söldner ausgeschaltet, der Jim an den Kragen wollte, wir haben dich auf nen Bier eingeladen und seitdem versuchen wir möglichst zusammen gebucht zu werden. Deshalb auch das Treffen im Telecafé.", fasste sie zusammen.
"Ich bin übrigens Joane und das ist Jim.", sie deutete auf den Typen.
"Green.", brummte ich nickend, die Story stimmte zumindest zum Teil mit meinen Erinnerungen überein.
"Wissen wir. Wir haben dir sogar deinen Namen gegeben...", seufzte Jim und setzte sich in Bewegung.
"Manchmal ist das vergessen werden echt frustrierend.", brummte Joane und bedeutete mir, ihr zu folgen.
Das Telecafé war wie immer gut besucht. Ein junger Typ nickte ihnen von der Theke zu. Ich wollte gerade zu ihm hinlaufen, um einen Kaffee zu bestellen, doch Jim kam mir zuvor.
"Drei Kaffee, schwarz und ohne Zucker.", rief er dem Barista zu.
"So magst du doch deinen Kaffee, oder?", fragte Jim an mich gewandt. Ich nickte stumm. Sie schienen mich wirklich zu kennen, oder rieten einfach nur gut.
Wir setzten uns an die Computer und loggten uns ins SöldnerVZ ein. Zwei Aufträge warteten in meinem Postfach, eine Junkerin vermisste ihre Riesenratte, (Achtung, radioaktiv, Bisse verursachen mit hoher Wahrscheinlichkeit Tumore),
und ein Typ, der mir 50 Dollar dafür zahlen wollte, wenn ich seine Exfreundin beseitigte. Ich seufzte, als Söldner machte man für viele die Drecksarbeit, aber wegen eines dummen, eifersüchtigen Teenagers würde ich sicher keinen Mord begehen, selbst wenn die Bezahlung besser wäre. Da blieb mir wohl nur noch die Radioaktive Ratte.
Der Barista kam mit den vollen Kaffeetassen zu uns rüber.
"Kein Glück mit den Aufträgen?", fragte er, als er meine Miene bemerkte.
"Leider nicht.", stimmte ich zu und gab ihm Trinkgeld.
Er runzelte die Stirn.
"Wieso wollten Sie nochmal drei Kaffees?", fragte er.
Ich sah mich verwirrt um.
"Die sind nicht alle für mich, die sind für...", ja für wen eigentlich?
Wie aus dem Nichts tauchte ein blondes Paar neben uns auf und griff nach den übrigen Kaffeetassen.
"Entschuldigung, wer seid ihr nochmal?", fragte ich irritiert.
In dem Moment blinkte eine neue Nachricht auf, ein Auftrag die Konditionen waren unklar, es war lediglich die Bitte um ein Treffen. Alles Weitere würde man Vorort klären. Ich sollte außerdem jemand gewisses namens Baudach mitnehmen.
"Na dann mal los.", sprach Jim zuversichtlich und erhob sich, Joane leerte ihre Kaffeetasse, ehe sie sich anschloss. Mit diesen Partnern würde das sicher interessant werden, dachte ich mir, während ich ihnen in Greater New Yorks regnerische Nacht folgte.
Die Beleuchtung wurde immer schlechter, je tiefer wir in das Gewirr der Gassen traten, schließlich erreichten wir den Eingang der Slums. "Sicher, dass das keine Falle ist?", fragte Jim, eine Hand an seiner Pistole. Joane ließ den Blick über die Fassaden gleiten, die uns umringten.
"Ich zähl mindestens 4, die uns beobachten.", zischte sie. Mein Magen verkrampfte sich. "Lasst uns gehen, bevor es noch mehr werden.", murmelte ich.
Da regte sich etwas, aus einer Seitengasse kam eine Gestalt auf uns zu. Die Frau hatte dunkle Haare und tiefblaue Augen, in denen ich mich gleich beim ersten Blick verlor. Ihr Gang war selbstsicher und schnell.
"Ihr seid die Söldner, die ich angeheuert habe, nicht wahr?", fragte sie mich. Ich brauchte einen Moment um zu realisieren, dass sie tatsächlich mit mir sprach. "Ähm ja?", sagte ich dann und warf den Baudachs einen Blick zu. Jim legte den Kopf schief. "Jedenfalls hast du das vor. Wer bist du überhaupt? Und was sollen wir für dich tun?", fiel er mit der Tür ins Haus. Ich warf ihm einen sauren Blick zu. War das nicht offensichtlich? Diese schöne Frau brauchte unsere Hilfe. Was genau sie wollte, war nebensächlich, natürlich würden wir ihr helfen.
"Ich bin Lucia Romana.", erklärte sie und wischte sich eine nasse Strähne aus dem Gesicht. Ihr Blick traf meinen, während sie mit fester Stimme weitersprach, "Ich werde etwas stehlen und ihr müsst mir dabei helfen."
"Du willst also, dass wir dir helfen, Blue Melius aus den Laboren von Drug and Booze stehlen?", fasste Jim zusammen und verschränkte die Arme. "Was ist so besonders an dieser Droge, dass du nicht warten kannst, bis sie auf dem Markt ist?"
Lucias Augen wurden schmal. "Bei diesem Mittel handelt es sich nicht um Drogen. Es sorgt dafür, dass die Psifähigkeiten in einem Organismus gefördert werden, Menschen, die dieses Mittel erhalten, sollen plötzlich Fähigkeiten entwickelt haben, die sie vorher nicht besaßen.", erklärte sie.
"Lass mich raten, und du willst es finden und zerstören, bevor es in falsche Hände gerät? Sehr edel von dir.", äußerte sich Joane kopfschüttelnd.
"Nein.", zischte Lucia, "Ich werde es an Soylent Grün verkaufen. Sie bieten mir 5 Millionen Dollar dafür. Damit habe ich ausgesorgt. Ich schaffe das allerdings nicht alleine. Jedem von euch gebe ich hundert Tausend Dollar dafür, dass er mir hilft. Was haltet ihr davon?", jeden von uns musterte sie einen Moment.
Ich überlegte. Mit dem Geld gehörte ich zwar nicht nach oben, aber das war nie mein Ziel gewesen. Ich könnte hier unten leben, ohne arbeiten zu müssen, es klang sehr verlockend, doch der Einbruch würde nicht einfach werden und wenn wir zu viele Spuren hinterließen, würde bald Black Water hinter uns her sein.
Wir mussten also gut darüber nachdenken, bevor wir...
"Wir machens.", beschloss Jim.
"Die Hälfte wollen wir jetzt, die zweite, sobald das Zeug verkauft ist. Wir brauchen Grundrisse und Bewachungspläne. Den Rest besprechen wir dann. Wir treffen uns übermorgen um 18 Uhr am Telecafé, komm pünktlich."
Lucia nickte. "Das werdet ihr nicht bereuen.", sagte sie möglichst ruhig, doch die Erleichterung in ihrer Stimme ließ sich unmöglich verstecken, vielleicht war mehr dahinter, als nur ihr Geld.
Auf dem Heimweg war ich unruhig, aus irgendeinem Grund freute ich mich sehr, sie bald wieder zu sehen, doch ich machte mir außerdem Sorgen, was, wenn sie uns reinlegte, wir wussten nichts über diese Frau.
"Was hältst du von ihr?", fragte Joane mich, nachdem wir eine Weile durch die Dunkelheit gelaufen waren, ich zuckte heftig zusammen, hatte schon wieder vergessen, dass sie und Jim ja hinter mir liefen.
"Sie wirkt... nett.", ich war heilfroh, dass sie nicht bemerkten, wie sehr meine Wangen zu glühen begannen.
"Natürlich wirkt sie nett, immerhin will sie, dass wir ihr helfen.", grummelte Jim.
Joane nickte zustimmend.
"Lasst uns lieber vorsichtig sein."
Den Rest des Abends trainierten wir verschiedene Kampftechniken. Die Baudachs versuchten vergeblich, mir beizubringen, sie zu bemerken, es war anstrengend und am Ende waren wir verschwitzt, hatten Muskelkater und kleinere Verletzungen.
Erschöpft schleppte ich mich nach Hause und legte mich nach einer kühlen Dusche direkt ins Bett.
Lucias leuchtende Augen tauchten vor mir auf, als ich versuchte einzuschlafen, ihr Lächeln, verdammt, selbst wenn es eine Falle war, für mich war es bereits zu spät.
Zwei Tage später warteten wir im Telecafé auf Lucia. Auch wenn ich versuchte ruhig zu bleiben, raste mein Herz. Würde sie auftauchen? Ich hatte daraufhin gefiebert sie zu sehen. Bei dem Gedanken musste ich grinsen, wie lächerlich, dabei kannte ich sie kaum.
"Wieso grinst du denn so?", fragte Jim und packte mich am Arm, um mich aus den Gedanken zurück zu holen. "Ich grinse doch gar nicht.", log ich und versuchte ein ernstes Gesicht aufzusetzen.
"Doch, schon die ganze Zeit, seit... seit wir Lucia das erste Mal gesehen haben.", bemerkte Joane und begann nun böse zu lächeln.
"Der gute Green ist voll verschossen."
Nun lachte auch Jim. Ich lief rot an.
"Sagt es ihr bloß nicht.", flehte ich, es hatte keinen Zweck es ihnen auszureden, kaum etwas blieb vor ihnen verborgen, auch wenn sie für die meisten unsichtbar waren.
"Keine Sorge, dein Geheimnis ist bei uns sicher.", grinste Jim
In dem Moment öffnete sich die Tür und sie trat ein, die schwarzen Haare waren ordentlich zurück gebunden und in der Schwarzen Bluse und dem dunklen Rock wirkte sie wie ein Engel, der gnadenlos und wunderschön den Tod über die Menschheit bringt. Kurz fuhr ihr Blick suchend durch den Raum, dann entdeckte sie mich und lächelte leicht, während sie elegant zu uns hinüber ging.
"Hey... Green, stimmts?", ich nickte bestätigend und deutete dann auf Jim und Joane. "Die Baudachs sind ebenfalls hier."
Erst jetzt fielen ihr die anderen Beiden auf.
"Hast du den Grundriss?", fragte Jim sofort.
Lucia nickte und legte ihr Tablet auf den Tisch. "Die Eingänge sind Ausweisgesichtert. Sobald wir drinnen sind, wird der Rest ein Kinderspiel, ich manipulier jeden der uns gesehen hat, es gibt keine Kameras im Gebäude. Raus können wir durch den Haupteingang, das geht auch ohne Ausweise."
"Also fehlen uns nur die Ausweise?“, hakte Joane nach. "Das müsste zu machen sein, ich könnte mich umhören und sicher finde ich jemanden, der uns da weiterhelfen kann.", sie legte die Stirn nachdenklich in Falten.
"Ich hab da noch ne andere Idee, wie wir reinkommen.", ein Grinsen breitete sich bei dem Gedanken auf meinem Gesicht aus.
"Ich soll euch also helfen?", der blonde Junge legte den Kopf schief, ein Grinsen breitete sich auf seinem Kopf aus. "Und was habe ich davon?", fragte er. "Wreck, weißt du noch, dieser eine Kampf, als du deinen linken Arm verloren hast und ich dich rausgeholt habe, obwohl du versucht hast, mir mit ner Metallscherbe die Kehle aufzuschlitzen?", fragte ich. Wrecks Lächeln bekam Risse. "Hm muss sehr lange her sein.", brummte er.
"Das war vor einem Monat. Ich hab dir deine Prothese besorgt die anderen upgraden lassen und du sagtest, deine Worte: 'Jo man, voll korrekt, bin dir was schuldig, Bro.' Also halt dein Wort.", antwortete ich.
"Fuck...", brummte Wreck, "Da hatte ich sicher Schmerzmittel intus,", ich warf ihm einen tödlichen Blick zu, "Okay, okay, ich helf euch ja schon.", er winkte ab.
"Und wie soll uns dieser reizende junge Herr helfen?", fragte Lucia, welche Wreck argwöhnisch musterte. Auch wenn er für unten einigermaßen anständige Sachen trug, sah man ihm die Slumvergangenheit an. Er hatte einiges abbekommen und die täglichen Kämpfe waren nicht spurlos an ihm vorbei gegangen.
"Ich bin ein Teleporter, Ma´am.", Wreck zeigte beim Grinsen die kaputten Zähne.
"Dann treffen wir uns heute Abend in der Nixon-Street. Je früher wir loslegen, desto besser.", Lucia musterte ihre Mitstreiter noch einmal eindringlich, ehe sie sich zum Gehen wandte.
"Nicht so schnell.", warf Jim ein. "Eine Frage hätte ich da noch: Wieso fragst du uns um Hilfe und nicht die Italienische Mafia? Wir haben ein bisschen recherchiert und offenbar bist du ein angesehenes Mitglied bei deinen Mafiafreunden."
Lucia wurde blass, ihr Blick glitt hilfesuchend durch den Raum, dann sah sie mir in die Augen. "Ich versuche mit diesem Auftrag die Mafia zu verlassen. Man kann nicht einfach so aussteigen, entweder man bleibt, oder man stirbt. Tatsache ist, mit diesem Auftrag habe ich genug Geld, um unterzutauchen und ohne die Mafia zu leben.", sie senkte den Blick. Mitgefühl durchflutete mich, diese arme Frau musste viel mitgemacht haben, ein Leben in der Mafia war sicher nicht einfach.
"Hey,", sagte ich sanft und nahm ihre Hand. "Wir helfen dir. Die Mafia wird bald kein Problem mehr für dich sein.", ich schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Die Wärme, die in mir aufstieg, als Lucia das Lächeln erwiderte, war auch für die anderen unübersehbar, doch das war mir in diesem Moment egal.
Am Abend studierte Wreck eindringlich die Grundrisse und sah sich dann ein Bild der Labore an, ehe er nickte.
"Bin soweit.", sagte er mit geschlossenen Augen. Ich legte eine Hand auf seine Schulter, Jim tat es mir gleich, und auch Joane berührte Wreck, nur Lucia sah etwas verwirrt aus. Eilig nahm ich ihre zarte Hand, bevor Wreck uns ohne sie teleportierte. "Wir sind auch soweit.", sagte ich, da verschwand mit einem leisen Plopp bereits die Straße vor unseren Augen und stattdessen erschienen weiße Wände. Grelles Neonlicht erhellte die weißen Labore. Das laute Klappern einer Pipette, die jemand fallen gelassen hatte, hallte durch den Raum. Die ehemalige Besitzerin mit Kittel und Schutzbrille starrte uns mit weit geöffnetem Mund an. "Fuck.", murmelte Jim, als er merkte, dass sie auch die Baudachs sehen konnte, und zog ein Klappmesser hervor. Lucia legte ihm eine Hand auf die Schulter, während sie sich an ihm vorbei zu der Frau drängte. "Ich mach das.", sagte sie.
Sie schloss die Augen und plötzlich schüttelte die Frau den Kopf, hob die Pipette auf und verlies seufzend das Labor. Dabei würdigte sie uns keines Blickes, amüsiert stellte ich fest, dass sich sowohl die Baudachs fühlen mussten, vollkommen unsichtbar.
"Was hast du mit ihr gemacht?", fragte ich Lucia neugierig, die zufrieden lächelte und begonnen hatte die Kühlschränke zu durchforsten.
"Ich hab die Bilder von uns aus ihrem Kopf gelöscht, für sie waren wie nie hier. Beeilt euch, sie kommt sicher gleich wieder.", das ließen wir uns nicht zweimal sagen, eilig begannen wir die Schränke zu durchsuchen. Auch Wreck riss einen Kühlschrank auf, blinzelte, als er die Fläschchen mit den Inschriften sah, und schloss den Kühlschrank wieder.
"Was ist?", fragte Lucia ihn.
"Ich... kann nicht lesen.", er lächelte schief, ehe er in großen Schritten durch den Raum marschierte.
"Dann steh ich mal Schmiere.", beschloss er und positionierte sich an der Tür.
"Ich hab’s.", rief Jim nach einem Moment und hielt ein Fläschchen mit grüner Flüssigkeit hoch.
"Perfekt, dann nichts wie weg hier.", murmelte ich und schob Wreck an der Schulter zu den anderen. Wir packten ihn eilig, während Wreck die Augen schloss und teleportierte.
Als ich mich umsah, bemerkte ich nichts als Müll, überall wo ich hinsah, er stapelte sich bis an den finsteren Horizont.
"Wo hast du uns hingebracht?", knurrte Jim.
"Ich glaub das ist der Schrottplatz.", Wreck kratzte sich am Kopf.
"warum sind wir hier, verdammt?", Joane zog eilig ein Messer.
"Teleportier uns zum Telecafé, sofort.", sagte sie bestimmt.
"Ich... ich kann nicht.", murmelte Wreck. "Irgendwas hält mich zurück."
In dem Moment hörten wir das leise Rascheln der Junker, und sahen, wie die Mülldünen sich bewegten.
Lucia fluchte. Wir kamen näher zusammen.
"Findet den Blocker und schaltet ihn aus, sonst kommen wir nicht mehr hier weg.", befahl Jim.
In dem Moment brachen die Wellen auf und etwa 10 Junker erschienen.
"Wir wollen keinen Ärger.", erklärte ich mit erhobenen Händen.
"Warum seid ihr dann hier? Mitten in der Nacht und schleicht euch an?", einer mit Fliegerbrille legte den Kopf schief.
"Wir haben uns verlaufen.", begann Lucia, doch ich unterbrach sie.
"Wir suchen nach einer radioaktiven Ratte. Eure.... Königin hat uns den Auftrag erteilt.", sagte ich stattdessen.
"Ihr lügt.", warf ein anderer Junker ein, er hatte blonde, ungepflegte Haare.
Jim reichte ihnen zögernd sein Handy. "Da. Hier steht es, es ist unser Auftrag, wir lügen nicht."
Die Junker reichten das Handy herum.
"Bleibt da!", rief einer drohend, ehe sie die Köpfe zusammensteckten und tuschelten.
"Lasst uns verschwinden, jetzt.", zischte Lucia. Doch Wreck schüttelte den Kopf, wenn wir jetzt gehen, sind wir das nächste Mal, wenn wir hier sind, tot.", gab er zurück.
In dem Moment sahen die Junker wieder zu uns.
"Also gut, sucht Madame Sweettooth, aber wehe, wir sehen euch etwas anderes tun!", der eine hob drohend seine Zeigefingerprothese.
"Werden wir beherzigen.", sagte Jim und griff nach seinem Handy, doch der Junker zog die Hand weg.
"Das ist jetzt mir.", bestimmte er. Jim wollte protestieren, doch als er die Blicke der anderen sah, fand er sich mit seinem Schicksal ab.
Wir suchten bis in die frühen Morgenstunden hinein, ehe wir die Ratte fanden. Madame Sweettooth hatte sich in der Karosserie eines verrosteten Vans ein Nest gebaut und brütete dort über 3 kleine Rattenbabys. Wir erkannten die Ratte daran, dass sie leicht grünlich schimmerte.
Lucia winkte und aus dem Müll tauchte plötzlich ein Junker auf.
"Ihr habt sie also gefunden?", fragte er.
"Und sie hat Kinder.", erklärte Joane mit einem sanften Lächeln.
"Das werden wir sofort der Königin erzählen, wir schulden euch Dank.", der Junker strahlte und eilte davon.
"Zeit zu gehen.", bestimmte Jim.
"Was ist mit der Königin?", fragte Wreck enttäuscht, "Ich hätte sie sehr gerne kennen gelernt.", die ist noch etwas sauer auf uns, weil wir ihr den Müll genommen haben.", erklärte Joane mit einem schiefen Lächeln.
Ich sah sie fassungslos an. "Ernsthaft?", stöhnte ich.
"Unser Klient hat verdammt viel dafür gezahlt. Vielleicht hat sie uns vergessen, aber wir sollten auf Nummer sicher gehen und verschwinden.", Jim lächelte schief.
Also teleportierten wir erneut und dieses Mal kamen wir beim Telecafè heraus.
Es war bereits Nacht, als Lucias Handy aufblickte.
"Leute, wir haben nen Standort für die Übergabe bekommen.", sagte sie aufgeregt und begann auf ihrem Handy zu tippen. Ich stumpte Wrecks Fuß an, der auf der Bank eingeschlafen war und nun leise schnarchte. "Viel Energie hat der ja nicht gerade.", bemerkte Jim.
Ich nickte. "Dafür ist sein Akku unglaublich schnell wieder voll.", noch einmal, dieses Mal unsanfter stumpte ich Wreck an, er fuhr hoch.
"Wer klingelt?", fragte er grinsend.
"Ich, wir wurden kontaktiert.", erklärte ich schnell und blickte dann über Lucias Schulter auf die Koordinaten.
"Das ist ja im Bodyland.", stellte ich überrascht fest.
"Im was?", fragten Joane und Lucia aus einem Munde.
"Bodyland. Das ist ein Schuppen in dem Tote Leute aufgeschnitten und mit Konservierungsmittel vollgepumpt werden, damit man sie sich ansehen kann, ohne dass es gammelt.", erklärte Wreck. "Ich wollte da immer mal hin. Die haben mir sogar mal nen Flyer geschickt, ob ich meinen Körper spenden mag. Wenn ich tot bin, versteht sich.", er kratzte sich am Kopf, "Wobei die sicher keine Skrupel haben, nachzuhelfen.", grinste er.
"Ja... naja, noch bist du am Leben und wir sollten uns beeilen.", versuchte ich das Thema zu wechseln und erhielt dafür einen dankbaren Blick von Lucia.
Jim tauchte wie aus dem Nichts mit einem vermutlich gestohlenen Van auf und so machten wir uns auf den Weg.
Das Bodyland befand sich einige Straßen entfernt vom Telecafé. Auf den Backsteinmauern hatte jemand einen großen Junker aufgesprayt, der mit bunten Armprothesen sein Brustfleisch aufhielt und allen Passanten seine blanken Rippen zeigte. Angeleuchtet von ein paar Scheinwerfern, war er auch in der Nacht gut sichtbar, jedoch nicht weniger gruselig. Wreck grinste. "Ouh das wird soo cool!", verkündete er.
"Wenns kein Hinterhalt wird.", fügte ich hinzu, um ihn zumindest etwas zu bremsen.
Die Eingangstüren waren verschlossen, was Joane jedoch nicht aufhielt. Mit der Selbstverständlichkeit einer guten Attentäterin schob sie einen Dietrich ins Schloss und keine 30 Sekunden später hielt sie uns die Tür auf, ein selbstgefälliges Lächeln zierte ihre Lippen.
Ich nickte anerkennend. "Du bist ziemlich gut darin.", stellte ich fest.
"Klar bin ich das. Ich habs dir sogar beigebracht.", verkündete sie. Ich legte den Kopf schief. "Ach echt?"
In der Halle war es finster, lediglich die grünen Exitschilder wiesen auf Notausgänge hin und die Prothesen zweier Figuren glimmten schwach in der Dunkelheit.
Jemand zog mich am Arm, sofort griff ich nach meinem Messer, doch eine andere Hand legte sich auf den Griff.
"Du solltest endlich lernen, dich nicht immer zu erschrecken.", flüsterte Jim, ich konnte in der Dunkelheit lediglich seine Umrisse erkennen, hörte jedoch das Grinsen in seiner Stimme. "Ich hab die Umkleide vom Personal gefunden, da ist sicher was Hilfreiches dabei. Komm.", zögernd folgte ich ihm.
Tatsächlich fanden wir sowohl einen Lageplan, als auch eine Taschenlampe. Letzteres nahm ich sofort an mich.
"Den Koffer sollen wir hinter dem tanzenden Pärchen unter die Bank legen.", erklärte Lucia und wies auf die besagte Zeichnung auf der Karte.
"Dann bringen wir die Kamera dort in der Nähe an. Bleibt hier, Green und ich machen das.", bestimmte Jim. Lucia wollte protestierten, "Die wissen, was sie tun.", beruhigte Wreck sie.
"Sei bitte vorsichtig.", hörte ich Lucias warme Stimme in meinem Kopf.
Ich schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln- wäre ich damals nur nicht so dumm gewesen- und folgte dann Jim.
Wir versteckten den Koffer unter der Bank und sahen uns dann nach einem geeigneten Ort für die Kamera um, als ich eine Bewegung hinter mir wahrnahm. Mit gezogenem Messer fuhr ich herum, doch da schien niemand zu sein, nur die Figuren, das tanzende Pärchen und der Mann mit dem Schnurrbart. Ich legte die Stirn in Falten, der Mann mit dem Schnurrbart sah verdammt realistisch aus.
"Ich weiß wo wir die Kamera verstecken, gib her.", sagte ich an Jim gewandt, ohne den Blick von der Figur zu lösen. In einer Hand die Kamera, in der anderen das Messer, trat ich auf den Mann zu. Bildete ich mir das nur ein, oder waren die Schweißperlen auf seiner Stirn?
So nah, dass sich unsere Nasen fast berührten blieb ich schließlich stehen und hob die Hand mit der Kamera, zog ihm dann jedoch blitzschnell den Knauf meines Messers über den Hinterkopf. Der Mann ächzte und fiel nach vorne. Er bekam mein Knie gegen die Nase, und erneut einen Schlag auf den Hinterkopf, welcher ihn endgültig ins Land der Träume beförderte.
"Hier sollte doch niemand sein. Ist das ein Hinterhalt?", fragte ich laut und sah mich um, nach wem denn eigentlich?
In dem Moment zerschnitt ein lauter Schrei die Stille, ich hörte Kampfgeräusche aus dem Gang, schnell eilte ich hinüber und sah gerade noch wie Jim mit einem schwarzhaarigen Typen rang.
Ich trat unserem Angreifer die Beine weg, er stolperte und krachte mit dem Nacken auf eine Stufe, welche zum Bistro führte. Ein unangenehmes Knacken ertönte, dann rührte sich der Typ nicht mehr. Ich wurde blass. "Ist... ist er...", begann ich. "Ja, der ist mausetot.", bestätigte Jim und hielt sich die Seite. Ich raufte mir die Haare. "Verdammt.", murmelte ich fassungslos. "Was tun wir jetzt?"
"Naja wir können ihn sicher nicht legal entsorgen.", nachdenklich lies Jim den Blick durch den Raum gleiten.
"Geh mal ins Lager und such nach dieser Silikonpaste, ich hab ne Idee."
Keine fünf Minuten später hatten wir den Kerl in einer sitzenden Position auf der Bank trappiert und mit Silikon und Latex präpariert. Er wirkte, als würde er auf seine Armbanduhr schauen, vor ihm stand ein Schild:
'Der Wartende Mann'
Die Kamera hatten wir zwischen seinen Darmschlingen platziert, welche den Besuchern präsentiert wurden, da er mit geöffneter Bauchdecke dasaß.
Erschöpft kamen Jim und ich zu den anderen zurück.
"Haben wir ein Bild?", fragte ich. Wreck spielte mit einer Taschenlampe herum, während Lucia und Joane auf einen Laptop starrten.
"Ja das Bild ist da. Was hat so lange gedauert?", fragte Joane und musterte uns. Wir mussten ziemlich fertig ausgesehen haben, denn Lucia wurde blass, als sie ihrem Blick folgte.
"Wir wurden beobachtet.", erklärte ich.
"Von den Italienern.", fügte Jim hinzu.
"Woher willst du das wissen?", Wreck zog eine Augenbraue hoch.
"Wir haben Sojanudel- und Pizzareste in dem Darm von dem einen gefunden.", erklärte ich.
"Ihr habt sie getötet?", fragte Lucia fassungslos. Ich blickte betreten zu Boden, mein Gewissen begann zu rebellieren, als ich ihren Blick sah. Die Mischung aus Angst, Verzweiflung und Wut, die ich mir wünschte, nie wieder in ihren Augen zu sehen, zerriss mir das Herz.
"Es war ein Unfall. Und wir haben nur einen getötet. Der andere liegt bewusstlos in nem Müllcontainer. Viel wichtiger ist doch die Frage, woher weiß die Italienische Mafia von deinem Deal, Lucia?", fragte Jim mit verschränkten Armen.
"Ich weiß es nicht!", nun stieg die Röte zurück in ihr Gesicht.
"Vielleicht...", begann sie, doch Joane unterbrach sie. "Wenn du jetzt sagst, es sei ein Zufall, schneid ich dir die Finger ab. Spiel mit offenen Karten, oder spiel alleine, Lucia.", knurrte sie.
Lucia atmete einen Moment durch.
"Ich hab einem Freund gesagt, dass ich gehen werde. Ich weiß, es war dumm, wir sind zusammen aufgewachsen und ich wollte mich wenigstens von ihm verabschieden.", erklärte sie. Ihr Blick traf erneut meinen, nun lag Hilflosigkeit, Reue darin.
"Das war tatsächlich sehr dumm.", knurrte Jim.
"Hey, sie hat einen Fehler gemacht, das passiert nun mal, wir haben es doch aus der Welt schaffen können.", versuchte ich zu schlichten.
"Leute?", rief Wreck
"Wenn unsere Masche mit der gespendeten Puppe durchgeht.", warf Jim ein. "Wir begeben uns in Gefahr wegen dir, es wäre schön, wenn du wenigstens dichthalten könntest.", sprach er an Lucia gewandt.
"Das müsst ihr sehen, Leute.", begann Wreck erneut.
"Und du nimm sie nicht immer in Schutz, nur weil du verknallt bist. ", brummte mich Jim an.
Nun wurde auch ich knallrot.
"Das tu ich doch überhaupt nicht und ganz ehrlich, ich kann in Schutz nehmen, wen ich will...", ich wollte weiterreden, doch Wreck packte meinen Kopf und schob ihn Richtung Laptop.
"Der Koffer ist weg!", rief er.
Fluchend starrten wir auf den Bildschirm. Wreck hatte Recht, da wo vorher der Koffer stand, war nun gähnende Leere.
"Vielleicht erwisch ich sie noch.", rief ich bereits im Gehen. Adrenalin schoss durch meinen Körper, während ich die Gänge entlang sprintete, doch ich begegnete niemandem.
Leise fluchend kam ich vor der Bank zum Stehen, als mir ein kleiner sehr altmodischer Briefumschlag auffiel.
Ich hob ihn hoch und öffnete ihn.
'Mit besten Dank, Solyent Green', stand darauf.
Also war es nicht die Mafia gewesen, die sich den Koffer geklaut hatte.
Nachdenklich ging ich zu unserem Versteck zurück.
"Wir haben das Geld!", rief Lucia als ich den Raum betrat und fiel mir strahlend um den Hals.
"Die Ganzen 5 Millionen Dollar. Solyent Green hat sie eben auf mein Konto überwiesen!", ich begann zu grinsen.
"Das ist ja wunderbar!", rief ich und küsste sie. Lucia entfernte sich nicht, stattdessen erwiderte sie den Kuss und als wir ihn beendeten, sah sie mir in die Augen.
"Fliehst du mit mir?", fragte sie leise.
Wenige Monate später stellte Lucia fest, dass sie schwanger war. Wir hatten uns ein Haus außerhalb der Städte geholt, weit weg von Drugs and Booze und der italienischen Mafia.
"Hey, Schatz, was ist denn los?", fragte ich sanft und wischte eine Träne von Lucias Wange. Ich hatte sie noch nie so aufgelöst gesehen, im Gegenteil, die letzten Wochen waren voller Freude und Gelächter gewesen.
"Ich schaff das nicht alleine. Ein Kind, ich bin doch noch viel zu jung, um ein Kind zu bekommen.", murmelte sie.
Sanft nahm ich sie bei den Schultern.
"Lucia, ich bin bei dir. Es ist unser Kind, wir ziehen es gemeinsam auf. Ich werde dich nicht verlassen, das verspreche ich dir.", sagte ich eindringlich.
Lucia nickte langsam lehnte sich an mich und ich legte den Arm um sie.
So saßen wir eine ganze Weile da.
Katie war bereits zwei Jahre alt, als es passierte. Ich hatte unser Kind gerade ins Bett gebracht, als ich ein Schluchzen hörte.
"Lucia?", raunte ich leise, während ich versuchte das Geräusch zu orten.
Ich fand meine Geliebte im Schlafzimmer. Schluchzkrämpfe schüttelten sie am ganzen Körper.
Eilig zog ich sie in meine Arme.
"Sch, ist gut, ich bin da.", flüsterte ich und strich beruhigend über ihren Rücken.
"Was ist denn los?", fragte ich, als das Schütteln nachließ.
Sie versuchte zu reden, schaffte es jedoch nicht und hielt mir stattdessen ihr Handy hin.
Mir lief es eiskalt den Rücken runter, als ich es las.
'Wir haben dich gefunden, Lucia. Bring uns das Geld, oder wir müssen dem Kind und deinem Mann weh tun.'
Dass es auf Englisch geschrieben war, hätte mich stutzig machen müssen, doch in diesem Moment dachte ich nicht darüber nach.
"Wir haben doch schon einiges von dem Geld ausgegeben.", murmelte Lucia. "Und wie sollen wir ohne es leben, wie sollen wir Katie großziehen?", sie raufte sich die Haare.
"Wir kriegen das hin.", murmelte ich und begann fieberhaft nach einer Lösung zu suchen.
"Wir haben Freunde, sicher haben die etwas Geld, was sie uns erstmal leihen können. Und ich kann wieder anfangen zu arbeiten.", ich schluckte. Zurück zum SöldnerVZ zu gehen, hieße so viel wie, jeden Tag unterwegs zu sein und nie zu wissen, ob ich überhaupt lebend heimkäme. Ich würde Katie nicht mehr aufwachsen sehen, doch wenn das hieße, dass sie und Lucia beschützt leben konnten, würde ich dies auf mich nehmen.
Meine Frau schluchzte auf.
"Es tut mir so leid.", wimmerte sie.
Einen Tag später war die Stimmung bedrückt. Katie spielte mit ihrem Essen, während weder Lucia noch ich ein Wort sprachen.
"Kann ich spielen gehen?", fragte Katie schließlich.
"Hände Waschen und dann kannst du gehen, mein Kitten.", stimmte ich zu. Leise summend verließ sie den Raum.
"Ich hab das Geld zusammengetrieben.", erklärte ich, "Wir sind wohl mit jemandem namens Baudach befreundet,", den Namen musste ich von einem Zettel ablesen. "Sie haben uns einen Haufen Geld geliehen, mit dem was wir noch haben, kommen wir auf das Erpressungsgeld."
Lucia nickte knapp.
"Dann werde ich morgen die Übergabe machen.", ihre Stimme war kühler geworden, doch ich erkannte es nicht.
Ich verabschiedete sie mit einem Kuss. "Und du bist sicher, dass ich nicht mitkommen soll?", mir fiel es schwer, sie einfach so gehen zu lassen. Es könnte so viel schief gehen.
"Ich krieg das hin, du hast genug getan, Green.", sanft strich sie über meine Wange und zog dann die Hand weg.
"In ein paar Stunden bin ich zurück.", versicherte sie, ehe sie das Haus verließ.
Das war das letzte Mal, dass ich sie sah.
Es dauerte Stunden, Tage, Wochen, bis ich begriff, dass sie nicht mehr zurückkommen würde. Katies Fragen, wo ihre Mutter sei, zerrissen mir das Herz. Verzweifelt rief ich meine SöldnerVZ Kontakte zur Hilfe und lud die Baudachs zu mir nach Hause ein.
"Die Italiener haben meine Frau und das Geld, wir müssen sie da rausholen.", begann ich, tigerte wie ein Tier in der Küche hin und her, haltlos, rastlos, ohne Lucia war ich nicht derselbe.
"Green.", begann Joane sanft, doch ich nahm sie kaum wahr.
"Sie haben sie einfach entführt. Vielleicht foltern sie sie in diesem Moment. Wir müssen los, sofort."
"Verdammt, Green, hör uns zu.", Jim schlug mit der Faust auf den Tisch.
"Deine Frau hat dich verarscht, sie hat uns alle verarscht. Lucia ist immer noch ein Teil der Mafia.", knurrte er.
"Was? Nein, du irrst dich.", antwortete ich und wurde allmählich sauer.
"Zeig es ihm.", brummte Jim, Joane gab mir ihr Tablet und zeigte mir die Fotos, die sie gemacht hatte.
"Uns kam das schon von Anfang an suspekt vor, mit der Mafia, die sich einmischt und dann rauszieht, deswegen haben wir die Übergabe überwacht.", erklärte sie leise.
Auf den Fotos sah ich Lucia, die einen Koffer voll Geld, dem Koffer, den ich ihr gegeben hatte, aus dem Auto stieg, dann ein Bild, bei dem sie auf einen Mann mit Schnurrbart und zurück gegelten Haaren zulief, vermutlich der Mittelsmann von der Mafia, und dann ein Bild auf dem sie diesen Mann küsste. Ich zog scharf die Luft ein.
"Da muss ein Fehler vorliegen, das ist nicht Lucia.", begann ich, obwohl ich es besser wusste.
"Sie wollte von Anfang an das gesamte Geld haben.", erklärte Jim. "Das war eine Art Reifeprüfung der Mafia."
Ich schüttelte ungläubig den Kopf.
"Es tut uns leid, Green.", murmelte Joane mitfühlend.
Ich versuchte mich zu fassen.
"Danke, dass ihr mir das gezeigt habt, ich brauche nun Zeit zum Nachdenken.", meine Stimme zitterte.
"Wenn wir dich irgendwie unterstützen können, lass es uns wissen.", sagte Jim und erhob sich.
"Wir werden dir Geld überweisen, du bist nicht alleine, vergiss das nicht. Katie braucht dich.", Joane umarmte mich zum Abschied, doch das nahm ich kaum wahr, alles fühlte sich taub an, als wäre gerade ein Teil von mir gestorben.
Rastlos lief ich durch die Zimmer, versuchte jedoch dabei Katie nicht zu wecken. Im Schlafzimmer blieb ich stehen, der digitale Bilderrahmen schaltete um auf ein Foto von Lucia und mir, auf dem wir gerade lächelnd ein Eis aßen. Das war alles eine Lüge gewesen, die letzten zweieinhalb Jahre waren nur Fake, eine Tarnung, ein Experiment von Lucia. Wut stieg in mir auf. Zwei Jahre meines Lebens hatte ich damit verschwendet, war ihre Marionette gewesen, das perfekte Haus mit dem perfekten Garten und dem perfekten Auto und wofür? Sie hatte mir alles genommen, mein Geld, meine Zukunft, mein Herz. Wütend schleuderte ich den Bilderrahmen gegen die Wand, welcher mit einem lauten Krachen zersplitterte. Das Geräusch brachte mir Genugtuung, welche jedoch noch lange nicht reichte, um die Unruhe und angestaute Wut zu befriedigen. Ich nahm die Plastikblumen von der Kommode und schleuderte jede einzelne mit voller Kraft auf den Boden, sie zerschellten und hinterließen ein Meer aus Scherben und Plastik. Als nächstes warf ich den Fernseher vom Tisch, schlug mit der nackten Faust auf den Bildschirm, der Schmerz durchzuckte mich wie ein Blitz und ich spürte die Wärme, welche sich auf meinen Fingerknöcheln ausbreitete, doch das war mir egal, mir war alles egal, ich wollte aufhören zu existieren, auf der Stelle Sterben, alles nur damit dieses dumme Gefühl verschwand, dieser unglaubliche Schmerz, den Lucia hinterlassen hatte. „Verdammte Scheiße.“, zischte ich und packte ihr Kopfkissen, ohne zu zögern zerriss ich es mitsamt Laken. Federn flogen auf, einige blutig von meinen Knöcheln.
Rastlos sah ich mich um, doch ich fand nichts mehr, nichts, das ich zerstören konnte und selbst wenn, gab mir die Zerstörung keine Genugtuung mehr. Ich fühlte mich nur noch müde und leer. Langsam lies ich mich aufs Bett sinken und betrachtete die blutigen Knöchel, während mein Körper zu beben begann und erste Schluchzer über meine Lippen kamen.
„Dad?“, hörte ich eine leise Stimme hinter mir. Am liebsten hätte ich laut geflucht. Wie hatte ich nur so einen Lärm machen können, wenn Katie nebenan schlief, für einen Moment hatte ich sie vergessen. „Dad, was ist denn los?“, fragte Katie wieder. Sie rieb sich mit einer Hand die Augen, in der anderen hatte sie den Teddybären, den ich ihr nach ihrem ersten Albtraum geschenkt hatte.
„Nichts, Schatz, schlaf weiter.“, sagte ich tonlos, doch Katie war bereits auf dem Weg zu mir. „Pass auf, du tust dir weh, hier liegen überall Scherben.“, versuchte ich sie zurück zu halten, aber die Kleine war dickköpfig wie immer. Ich stand auf und hob sie auf meinen Arm, bevor sie sich an den Glasscherben die Füße aufschlitzte. Sanft setzte ich mich aufs Bett und sie auf meinen Schoß.
„Mom kommt nicht wieder, oder?“, fragte sie leise, schlaue kleine Katie, vermutlich hatte sie unser Gespräch belauscht, oder die Scherben des Bilderrahmens gesehen und eins und eins zusammengezählt. „Nein.“, murmelte ich tonlos, es hatte keinen Zweck sie zu belügen.
Katie drückte sich an mich und legte die kleinen Ärmchen um meinen Hals. „Dann sind es nur noch wir drei, du, ich und Teddy.“, beschloss sie und küsste meine Stirn, wie ich es immer bei ihr tat, um sie zu trösten. „Hier, er wird dich jetzt beschützen.“, sie hielt mir das Kuscheltier hin. Meine Stimme versagte, Tränen liefen mir über die Wangen, ich brauchte einen Moment, um wieder sprechen zu können. „Aber Katie, das ist doch dein Teddybär.“, warf ich ein.
„Und nun beschützt er dich. Du brauchst ihn mehr als ich.“, sagte sie sanft und drückte mir das kleine Stofftier in die Hand. „Trag ihn immer bei dir.“, flüsterte sie mir ins Ohr. Ich fuhr durch ihre schwarzen Haare.
Vielleicht hatte Lucia gelogen, vielleicht hatte sie mich benutzt, vielleicht war ich eine Marionette in ihrem Spiel gewesen, doch es gab eins, dies ich in der ganzen Zeit nicht bereute und das war Katie. Die Bauchdachs hatten mich Green getauft, weil ich ein Frischling war, ein junger Mensch, der seinen Platz noch nicht gefunden hatte, es wurde Zeit, diesen Namen abzulegen. Ich war vieles aber nun ganz sicher nicht mehr grün hinter den Ohren. Von nun an hörte ich auf den Namen Teddy, denn das war, was ich von diesem Tag an war, ein Beschützer. Der Beschützer meiner Tochter.
@Smudge bist du einer vom Katana-Squad?